Eine Frustkolumne

Der nächste Akt des Bauträgermeisters?

Am Nikolotag, dem 06.12.2024, fand die letzte „offizielle“ Gemeinderatssitzung dieser Periode statt – eine letzte, aber zumindest ebenso wichtige, wenn nicht sogar wichtigste, folgte noch als Festsitzung, bei der wir jenen Menschen in der Gemeinde danken, die ganz Besonderes für unsere Gemeinde geleistet haben.

Dennoch muss ich (leider) die letzte offizielle Sitzung und ein wenig die auslaufende Gemeinderatsperiode aufarbeiten. Vieles, zu vieles, ist dabei vorgefallen, was mir nicht allzu sehr behagt.

Gehen wir es chronologisch durch.

Über meinen Antrag zur medizinischen Versorgung zu Beginn der Sitzung berichte ich im 1. Teil: Es wird Zeit für einen neuen Gemeinderat – Teil 1
Ums Sparen bei den Ärmsten geht es im 2. Teil: Es wird Zeit für einen neuen Gemeinderat – Teil 2

Nachverdichten als Gebot der Stunde

Ein Grundstück in Wörderner Bestlage, 150m vom Bahnhof entfernt, aber aufgrund der Lage von allen Seiten von der Straße und der Bahn abgeschottet und somit in sehr ruhiger Lage, darüber hinaus auch noch im Eigentum der Gemeinde befindlich, bietet sich perfekt an, um unserer Jugend, aber auch der älteren Generation leistbares Wohnen und auch Wohnen eingebettet in guter Infrastruktur bieten zu können. Außer, es ist die letzte Gemeinderatssitzung und wir müssen noch – zack zack – das Grundstück loswerden. Da wird doch hoffentlich niemand jemanden etwas zugesagt haben, dass möglicherweise nach der Wahl nicht mehr eingehalten werden kann?

Quelle: Foto NÖ Atlas; eigene Darstellung. Die perfekte Baulandreserve, 150m vom Bahnhof entfernt. Eine weitere Chance, die die Gemeinde nicht nutzt.

Die Zahl des Tages: 1.181

1.181 Tage vergingen zwischen der Vorlage des ersten Entwurfes zur Wohnhausanlage Dr.-Karl-Renner-Allee und der aktuellen Gemeinderatssitzung, in der der Gemeinderat ohne konkrete Zahlen einen Baurechtsvertrag mit einem Bauträger genehmigte.

1.181 Tage oder 169 Wochen oder 40 Monate oder 3 1/3 Jahre!

Vor 3 Jahren und 4 Monaten lag der erste Entwurf der Wohnhausanlage Dr.-Karl-Renner-Allee vor, was gleichsam bedeutet, dass das Projekt sogar schon deutlich früher angestoßen wurde. So viel Zeit haben wir uns gelassen und dann beschließt der Gemeinderat etwas vollkommen Unausgegorenes.

Bierdeckelrechnung

Mit dem Wunsch, eine Gemeindewohnhausanlage zu errichten, gingen wir in das Projekt. Zumindest jene, die das ernst nahmen. Mittlerweile befürchte ich, wesentliche Teile des Gemeinderates sind dieser Personengruppe nicht zuordenbar.

Die Gemeinde hat einen Architektenwettbewerb ausgeschrieben, der angemessen dotiert war, für unsere aktuelle Gemeindebudgetlage aber ein stolzer Posten war. Danach holte man sich Kostenschätzungen von Bauträgern ein und – Überraschung – zu teuer.

Viele waren erstaunt über die Kosten und ich war erstaunt über die Erstaunung. Um die Rentabilität eines Bauprojektes grob einschätzen zu können, spricht man bei Bauträgern von Bierdeckelrechnung. Wenig überraschend kommt das davon, da man solche Wirtschaftlichkeitsrechnungen auf einem Papierbierglasuntersetzer, einem Bierdeckel, rechnen kann. Dauer: 1 Minute, wenn man die Rechnung genießt und sich dementsprechend Zeit lässt, ansonsten geht das deutlich schneller. Danach hätte man einen Kostenrahmen für die Gemeinde gehabt. Und, ja, auf die Idee, die Gemeinde hätte das NICHT gemacht bzw. machen lassen, wäre ich beim besten Willen nicht gekommen.

Beispiel einer Bierdeckelrechnung (in fett, was letztlich am Bierdeckel steht)
Wieviel Wohnfläche erreichen wir? 1.200m²
Was kostet die Errichtung ca.? €2.750/m² Wohnfläche
Baukosten: 1.200m² x €2.750,00/m² = €3.300.000,00
Welche Nettomiete bekomme ich in der Lage? €8,00/m²+Monat
Was verdiene ich in einem Jahr? 1.200m² x €8,00/m²+Monat x 12 Monate = €115.200,00 : 3.300.000,00 = 3,5% p.a.
Welchen Zinssatz bekomme ich risikofreier (z.B.: Anlage Bankprodukt) und ist mir die Differenz das Risiko wert?

Wäre es nicht klüger gewesen, die oben angeführte Rechnung VOR Beginn eines Architektenwettbewerbes auszuführen, um VORHER festzustellen, dass das Projekt in der geplanten Form gar nicht ausführbar ist? Das wäre eine richtig gut investierte Minute gewesen!

Konzeptwechsel

Da stehen wir nun. Mit einem fertigen – und fertig bezahlten – Entwurf, aber leeren Taschen, um das auch umsetzen zu können. Daher die Idee: wir behalten das Grundstück und übergeben das Bauwerk samt Errichtung einem Bauträger. Das geht in Form einer Baurechtsvereinbarung, sodass das Bauwerk einen anderen Eigentümer aufweist als das Grundstück. Dem Eigentümer des Grundstückes gehört dann das Wohnhaus eben nicht.

Das hat den Vorteil – zumindest solange der Bauträger nicht insolvent ist – man bekommt Geld vom Eigentümer des Bauwerkes, eine Art Pacht für die Verwendung des Grundstückes. Der Nachteil besteht allerdings darin, dass dem Bauträger das Bauwerk gehört und er bei der Verwertung der Wohnungen die Zügel in der Hand hat. Natürlich kann die Gemeinde das vertraglich regeln, aber die meisten Verträge haben oftmals Schlupflöcher. Vor allem, wenn der Bauträger eine gute Rechtsabteilung hat. Darüber hinaus wird der Bauträger jegliche Einschränkung im Vertrag preislich bewerten.

Welche Bauträger wollen da überhaupt noch?

Die Gemeinde hat also mittels Architektenwettbewerb eine Entwurfsplanung bekommen und nach der Erkenntnis, wie teuer das alles wird, einfach das Konzept komplett umgedreht. Keine gesunde Basis, um viele Bauträger dazu zu bewegen, Angebote abzugeben. Nach Rückfrage beim Bauträgermeister, ursprüngliche Bezeichnung „Bürgermeister“, bekomme ich die Info: 1 (in Worten: ein) Bauträger bietet an.

Um welchen Bauträger handelt es sich da?

Die NÖ gemeinn. Bau- und Siedlungsgenossenschaft für Arbeiter und Angestellte (NBG) möchte das Projekt umsetzen. Überrascht es jemanden, dass sich im Vorstand und Aufsichtsrat in den wesentlichsten Funktionen dieses Bauträgers ein Stadtrat, ein Landtagsabgeordneter sowie eine Bürgermeisterin der ÖVP und weitere ÖVP-nahe Mitglieder befinden?

Baurechtsvertrag vom Gemeinderat genehmigt

Unser Gemeinderat beschließt noch schnell vor der nächsten Wahl, einem Bauträger das dingliche Recht1 zur Bebauung eines Grundstückes einzuräumen, OBWOHL es keine Verträge dazu gibt, wie oder was umzusetzen ist.

1dingliches Recht: ein Recht, das im Grundbuch eingetragen ist und somit öffentlich gemacht wurde, dadurch stark abgesichert ist.

Von leistbaren Wohnen kann bei diesem Projekt nicht wirklich gesprochen werden

Alles, was man als Gemeinderat bekommen hat, ist eine Stellungnahme vom Bauträger per Mail. Darin sind Ergebnisse einer wahrscheinlichen Bauträgerrechnung. Das in erster Linie spannendste Ergebnis ist, dass sich die Miete um die €13,30/m² Wohnfläche und Monat belaufen wird. Das Wohnen wird also bei den erzielten Wohnflächen zwischen €650,00 und €1.000,00 kosten. Hinzu kommt Heizung, Strom, Internet etc. Vor Jahren haben die Grünen noch leistbares Wohnen getrommelt und dieses mit €6,00/m² Wohnfläche und Monat plus maximal 25% für besonders gute Wohnverhältnisse gefordert (also bis €7,50/m² und Monat). Inflationsbereinigt wären das heute immer noch unter €10,00/m² Wohnfläche und Monat.

Wir binden uns nach 3 Jahren und 4 Monaten Vorlaufzeit an einen Bauträger, der kein Konzept präsentiert

Aber das ist nur die Spitze des Eisberges. Ich bin mit meinen Fragen gar nicht allzu sehr ins Detail gegangen, sondern habe Grundsatzfragen gestellt. Immerhin – und das möchte ich aus gutem Grund NOCHMALS in Erinnerung rufen – haben wir dem Bauträger am 06.12.2024 das Recht eingeräumt, unser Grundstück zu bebauen.

Folgende Fragen konnten oder wollten nicht beantwortet werden:

  1. Wie definiert der Bauträger „reine Baukosten“, was hat er alles in dieser Position kalkuliert?
  2. Konsulenten (z.B.: Planer, Anm.) wurden angenommen? Wie wurden sie angenommen, mit welcher Höhe und bereits als Teil der „reinen Baukosten“?
  3. Anschlussgebühren wurden angenommen: auch hier fehlt die Höhe und die Info, ob diese bereits einkalkuliert wurden.
  4. Finanzierungszinssätze wurden nach derzeitiger Marktlage angenommen: das ist überhaupt eine Formulierung, bei der die Alarmglocken zu schrillen beginnen. Das kann der Bauträger definieren, wie er will. Geringfügige Änderungen dieses Zinssatzes, verursachen massive Änderungen in der Bewertung des Projektes und damit in weiterer Folge auch in der Berechnung des Mietbetrages der einzelnen Wohnungen.
  5. Welche Art der Wohnbauförderung wurde kalkuliert, welche Höhe?

Wir haben auf diese Fragen keine Antworten! Das Projekt kann daher nicht bewertet werden. Sogar Auftraggeber ohne jegliche Erfahrung würden das Projekt mit diesen Projektdaten niemals beauftragen. Die Gemeinde St. Andrä-Wördern schon.

Grundsätzliche Fragen zum Bauprojekt: Video kann hier aufgerufen werden.

Auf die Fragen wird nicht eingegangen. Leider. Nicht klar ist, ob das nicht gewollt ist, oder einfach keiner weiß. Video kann hier aufgerufen werden.

Nachhaltigkeit

Um Kosten zu sparen, ging der Bauträger bei seiner Kalkulation von der geplanten, nachhaltigen Holzbauweise ab. Eine Änderung, die die Grünen nur geringfügig erschütterte. Und mit „geringfügig“ ist „gar nicht“ gemeint. Stattdessen gibt der Bauträger an, in Massivbauweise errichten zu wollen. Gedämmt wird mit VWS, ein Begriff, der mich – wie man heutzutage so schön sagt – triggert, immerhin ist Vollwärmeschutz ein umgangssprachlicher Begriff, der in diesem Fall wahrscheinlich ein WDVS (Wärmedämmverbundsystem) sein sollte. Als der Begriff VWS noch flächendeckend verwendet wurde, verstand man darunter hauptsächlich EPS/XPS-Fassaden, besser bekannt als Styropor-Fassaden. Aber auch das ist nicht beurteilbar, da das in den nur spärlich vorhandenen Unterlagen nicht festgehalten ist.

Erschreckende Kalkulation

Also habe ich mit den vorhandene, sehr dünnen Angaben eine Bauträgerrechnung angestellt, der ich übliche Annahmen hinterlegen musste. Da am Ende der Laufzeit des Baurechtsvertrages, nach 65 Jahren, die Gemeinde das Bauwerk um 25% des Immobilienwertes zurückzukaufen hat, ergibt sich ein satter Gewinn von ca. 1 Million Euro (€1.000.000,00). Wenn nun die Baunebenkosten – so wie es sich im Mail vom Bauträger meiner Ansicht nach darstellt – ebenfalls schon eingerechnet sind, erhöht sich dieser Gewinn auf über 1,3 Millionen Euro (€1.300.000,00). Und wer in den Genuss der Wohnbauförderung, unabhängig von der ebenso unbekannten Höhe, kommt, ist aktuell auch nicht klar.

(Un)Lustiges Detail am Rande

Dass die Gemeinde nach Ablauf der 65 Jahre das Wohnhaus um 25% des Marktwertes zurückkaufen muss, wurde im Antrag nicht erwähnt bzw. formuliert. Außerdem wurde im Vorfeld erwähnt, dass der Baurechtsvertrag sehr komplex sei und suggerierte dadurch die Empfehlung, diesen gar nicht studieren zu brauchen. Wollte man den Mitgliedern des Gemeinderates und den Zusehern diese Gewinnposition des Bauträgers über ca. €1.000.000,- verheimlichen?

Baurechtszins

Und da ist ja noch der Baurechtszins, also die „Pacht“ des Bauträgers, unser Grundstück nutzen zu dürfen. Dieser Zins, also der Geldbetrag, den die Gemeinde für die Nutzung des Grundstückes erhält, ist im Vergleich zu alternativen Varianten deutlich zu niedrig. Beispielsweise würden wir risikolos mehr Zins bekommen, wenn wir das Grundstück verkaufen und das Geld aus dem Erlös anlegen. Das bedeutet: für eine riskantere Variante bekommen wir weniger Geld als für die risikolose. Das schafft auch nur eine Gemeinde.

Zusammenfassung

  • Wir binden nach 3 1/3 Jahren Projektvorlauf ein Grundstück an einen Bauträger, der uns de facto keine sinnvollen Infos zum Projekt geben kann.
  • Der Bauträger liefert Zahlen, wie hoch die Mieterträge sein werden (und diese sind nicht der Kategorie „leistbar“ zuordenbar).
  • Die Mietzinse könnten sich bei Vorlage des verbindlichen Anbotes noch erhöhen – gemeindefreundlich braucht der Bauträger nicht mehr kalkulieren, immerhin hat er das dingliche Recht auf das Grundstück gesichert.

Wer kann entkräften, dass wir einem ÖVP-nahen Bauträger einen satten Gewinn verschaffen und dafür Wohnungen bekommen, die preislich deutlich über vergleichbaren Wohnungen in Wien liegen?