Staffel 1, Episode 2: „Keine Antworten“
Hier geht’s zu Bauskandale – eine Serie – Staffel 1 Episode 1
St. Andrä – Wördern rückt dank der Nähe zu Wien samt der guten öffentlichen Verkehrsanbindung immer mehr in den Fokus von Bauträgern. Mithilfe eines – benennen wir es höflicherweise – desinteressierten Bürgermeisters als Baubehörde 1. Instanz gehen hier viele Sachen, die es woanders nicht gibt. So erfährt man, das angeblich Bauträger zu bauen beginnen, obwohl sich entsprechende Baubescheide noch am Rechtsweg befinden und somit noch gar nicht rechtskräftig sind. Aber wer unseren Bürgermeister beobachtet, der die Bauordnung scheinbar als „Serviervorschlag“ interpretiert, braucht sich keine Sorgen machen.
Am 24.03.2023 fand endlich die Gemeinderatssitzung statt, in der die 25 Fragen zu beantworten wären. Aufmerksame Beobachter konnten diesen Tagesordnungspunkt allerdings nicht auf der Agenda der Gemeinderatssitzung entdecken. Obwohl der Bürgermeister knapp 3 Monate Zeit hatte, die Fragen zu beantworten und darüber hinaus in der Selbsteinschätzung als Baubehörde 1. Instanz alles richtig gemacht hatte (das kennen wir von anderen türkisen Politikern), wurde der Punkt sicherheitshalber in den nicht öffentlichen Teil geschoben.
Der Antrag, die Beantwortung in den öffentlichen Teil zu verschieben – immerhin ist Bauordnung und Raumordnung ein ureigenstes Interesse der hier lebenden Bürger:innen – wurde abgelehnt, obwohl es keine rechtliche Grundlage dafür gibt, es nicht öffentlich behandeln zu müssen.
Mit den Antworten wurden die Fragen teilweise mehr oder weniger geschickt „umfahren“, um keine Antwort zur eigentlichen Frage zu geben, teilweise sind diese in meinen Augen schlicht weg falsch beantwortet worden – und so sachverständig bin ich, um das beurteilen zu können. Als ich darauf eingehen wollte, kamen aus dem Gemeinderat Stimmen, dass das das falsche Gremium sei. Ich formuliere es so, wie es bei mir angekommen ist: „Wir sind Bürgermeister! Bürger:inneninteressen interessieren uns einen feuchten Kehricht!“
Ich betrachte mein Mandat als Gemeinderat sehr wohl als Vertreter der Bürger:innen. Daher finde ich es höchst verwerflich, genau jenen Menschen, die hier leben und die unsere Wohlfühlgemeinde als solche erhalten wollen, die Informationen, was in unserer Gemeinde abgeht, vorzuenthalten.
Mein persönliches „Highlight“: nachdem ich anfing, die Antworten kritisch zu hinterfragen, wurde mir das Wort entzogen. Ohne vorangegangenen Ordnungsruf. Ohne Begründung.
Die Gemeinderatssitzung vom 24.03.2023: https://www.youtube.com/live/vMewZNiPe48?feature=share
Hier der Dringlichkeitsantrag vom 24.03.2023 im Wortlaut:
Auskunft über den Status zu aktuellen Raumordnungs- und Bauordnungsthemen – Behandlung in der öffentlichen Sitzung
Bauordnung und Raumordnung, also was in unserer Gemeinde wie gebaut werden darf, sind ein wesentlicher Teil unserer Verwaltung und ein ebenso wichtiges Thema für unsere Bürger:innen.
Ich habe im Laufe der Zeit einige Bauvorhaben und Bauverfahren in unserer Gemeinde analysiert und bin auf viele Ungereimtheiten gestoßen. Mehrere Versuche, bei der Baubehörde 1. Instanz, also bei Herrn Bürgermeister Maximilian Titz, entsprechende Antworten zu bekommen, scheiterten. Bis auf die Aussage, dass alles ordnungsgemäß sei, erhielt ich keinerlei Rückmeldungen. Konkrete Fragen blieben unbehandelt. Sollte tatsächlich alles ordnungsgemäß abgewickelt worden sein, würde ich als Bürgermeister diese Chance hier nicht verstreichen lassen, das ein für alle Mal aufzuklären. Und nicht nur gegenüber den Gemeinderät:innen, sondern gegenüber jenen, die das brennend interessiert: den Bürger:innen.
Überlassen wir es der Phantasie der Bürger:innen, warum die Beantwortung dieser für die Allgemeinheit so wichtigen Fragen nicht im öffentlichen Teil erfolgen soll, vor allem, wenn man bedenkt, dass Themen zu Raum- und Bauordnung IMMER im öffentlichen Teil angesiedelt sind.
Für die Abhaltung von Gemeinderatssitzungen gibt es zwei wesentliche Gesetze.
Das eine ist die Bundesverfassung. Artikel 117(4) besagt folgendes:
„Die Sitzungen des Gemeinderates sind öffentlich, es können jedoch Ausnahmen vorgesehen werden. Wenn der Gemeindevoranschlag oder der Gemeinderechnungsabschluss behandelt wird, darf die Öffentlichkeit nicht ausgeschlossen werden.“
Welche Ausnahmen neben der im Artikel 117 bereits erwähnten noch gemeint sein könnten, geht aus der NÖ Gemeindeordnung 1973 hervor. §47(1) sagt aus:
„Die Sitzungen des Gemeinderates sind öffentlich. Gegenstände, die die Erlassung individueller hoheitlicher Verwaltungsakte zum Inhalt haben, dürfen aus Gründen der Amtsverschwiegenheit oder des Steuergeheimnisses nur in einer nichtöffentlichen Sitzung behandelt werden.“
Mittlerweile hat sich auch der Datenschutz als Ausnahme etabliert, warum TOPs im nicht öffentlichen Teil der Sitzung behandelt werden. Ansonsten ist es nicht Usus – auch in unserer Gemeinde nicht – dass dermaßen relevante Themen im nichtöffentlichen Bereich behandelt werden. Warum aber die von mir in der letzten Sitzung gestellten 25 Fragen, die ohne Bekanntgabe personenbezogener Daten beantwortbar wären? Vor allem, da sogar Eigentümerinformationen der betroffenen Liegenschaften dem Datenschutz erst gar nicht unterliegen, da diese bereits in öffentlichen Büchern – dem Grundbuch – aufscheinen.
Welche Sorgen hat Bürgermeister Titz, dass er trotz der Möglichkeit, sich mehrere Monate auf die Fragen bzw. Antworten vorbereiten zu können, diese wichtigen Fragen zu Raum- und Bauordnung nicht öffentlich zu beantworten?
Warum ist dieses Thema so wichtig?
Bei den von mir analysierten Bauverfahren bekommt man den Eindruck, dass die Bauordnung lediglich ein Vorschlag ist, bei dem einzig ein Paragraph von Bedeutung ist und selbst da wird der Anrainer in ein langwieriges und finanziell schwer belastbares Verfahren verwickelt: §6 NÖ BO „Parteien und Nachbarn“ und im speziellen Absatz 2 „subjektiv-öffentliche Rechte“.
Wie läuft ein Bauverfahren nach meinen Erkenntnissen aktuell in unserer Gemeinde ab?
Ein Bauwerber – in unserer Gemeinde derzeit einige Bauträger – reichen ein oder mehr Bauwerke ein. Dabei halten sie sich exakt an die Vorgaben der Bauordnung. Das Bauvorhaben wird somit genehmigt, Anrainer verlieren damit ihre Parteistellung.
Der Bauträger errichtet ein oder mehr Bauwerke, unabhängig von Fristen, die einzuhalten sind und unabhängig von der Einreichung, teilweise deutlich anders als eingereicht und genehmigt. Es werden sogar Bauwerke errichtet, die nicht eingereicht wurden. Die Behörde wird erst aktiv, wenn es Beschwerden der Anrainer gibt. Zu diesem Zeitpunkt ist man vom Gutwill des Bürgermeisters abhängig, da man als Anrainer zu diesem Zeitpunkt keine Parteistellung mehr hat. Der Anrainer hat zu diesem Zeitpunkt nur die Möglichkeit subjektiv-öffentliche Nachbarschaftsrechte geltend zu machen, um das Verfahren wieder zu eröffnen. Diese muss der Anrainer allerdings beweisen.
Gegenüber wem?
Dem Bürgermeister. Wird auch das negativ bescheinigt hat der Anrainer die Möglichkeit, die 2. Instanz anzurufen. Das ist der Vorstand ohne Bürgermeister, da dieser befangen wäre. Im Vorstand ist derzeit eine Mehrheit von Mandataren, die der Bürgermeisterpartei angehören oder ein Arbeitsübereinkommen mit der Bürgermeisterpartei haben. Könnte es sein, dass solche Anliegen um die „Koalition“ nicht zu gefährden, nicht neutral bewertet werden? Darauf zielen meine Fragen 23-25 vom letzten Antrag ab.
Der Anrainer hat nunmehr die Möglichkeit, die Landesverwaltungsbehörde und letztlich den Verwaltungsgerichtshof anzurufen.
Zur Erinnerung: das betrifft nur Bauwerke, die subjektiv-öffentliche Nachbarschaftsrechte betreffen. Sollten Bauwerke anderwärtig konsenslos, also illegal errichtet worden sein, gibt es keine Überprüfungsinstanz bzw. Korrektiv innerhalb der Gemeinde. Daher ist es von ABSOLUT WICHTER BEDEUTUNG, dass eine Kontrolle der Baubehörde 1. Instanz durch den Gemeinderat erfolgt und dieser öffentlich erfolgt.
„Wir starten heute in eine neue Ära der Bürgerinformation und Transparenz in der Gemeinderatsarbeit.“
Das sind nicht meine Worte. Das ist ein Zitat. Gesagt hat das Bürgermeister Titz bei der ersten gestreamten GR-Sitzung am 02.12.2022.
Weiters möchte ich Herrn Jakob Winter zitieren. Im Profil von 07.11.2021 schrieb er folgendes: „In jahrzehntelanger Oppositionsarbeit erwarben sich die Grünen den Ruf als Kontrollpartei, strikt bei Transparenz und Korruptionsbekämpfung.“ Wir können gespannt sein, ob das auch noch Gültigkeit hat, wenn die Grünen die Oppositionsbank verlassen haben.
Bildquelle: pixabay
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