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Das Verkehrskonzept im Masterplan – powered by Pippi Langstrumpf

Ich mach mir die Welt – wide wide wie sie mir gefällt.

Gut für ein Kinderbuch, ungünstiger für eine Verkehrsplanung. Ja, stimmt schon, ein Masterplan beansprucht nicht, die perfekte Lösung für den fließenden und ruhenden Verkehr präsentieren zu müssen, aber so ein klein wenig darüber nachgedacht sollte bei der Erstellung des Werkes schon werden.

In der allgemeinen Analyse habe ich das Thema des Verkehrs bereits angeschnitten, es ist aber wert, da noch ein bisschen genauer einzuhaken.

Fließender Verkehr

Das Intro zum Abschnitt der Verkehrsentwicklung habe ich an einer anderen Stelle bereits als abenteuerlich bezeichnet. Daher gibt es das hier auch in voller Länge.

Das Nadelöhr für den Verkehr in St. Andrä-Wördern bildet der Kreisverkehr im Bereich des Pfarramtes. Für dieses Nadelöhr wurden zwei unterschiedliche Zukunfts-Szenarien berechnet:
Szenario 1: Es werden 100 Wohnungen außerhalb des Zentrums angesiedelt. Dies ergibt ca. 250 Fahren mehr pro Tag, die durch den Kreisverkehr fahren müssen. Bei 300 Wohnungen würde das 750 Fahrten mehr pro Tag beim Kreisverkehr bedeuten.
Szenario 2: 100 Wohnungen im neuen Zentrum ergeben 150 Fahrten pro Tag mehr, davon 125, die durch den Kreisverkehr müssen. Die anderen 25 wählen einen anderen Weg zur Wienerstraße. Bei 300 Wohnungen bedeutet das ein Plus von 375 Fahrten pro Tag beim Kreisverkehr. Das sind um 325 Fahrten weniger, als in Szenario 1.
Resümee der Untersuchung:
Jede Wohnung, welche außerhalb des Zentrums errichtet wird, erzeugt eine doppelt so hohe Verkehrsbelastung in St. Andrä-Wördern, wie eine Wohnung im neuen Zentrum.

Neben der 10-jährigen Bauzeit ist dieses Thema wohl das wesentlichste der gesamten Planung. Daher dürfen wir uns als jene, die damit in weiterer Folge zu leben haben, doch erwarten, dass uns bei Angaben von Zahlen auch die Methodik verraten wird. Was ich eher glaube ist, dass hier die Glaskugel angeworfen wurde, anders ist das alles nicht zu erklären. Die Verfasser vermitteln dabei den Eindruck, noch nie etwas von Begriffen wie Binnenverkehr, Quellverkehr, Durchgangsverkehr und Zielverkehr gehört zu haben. Wäre das erhoben worden, dann hätte ich das auch zu Papier gebracht. Besser beweisen könnte man wohl nicht, welche Arbeit hingepackt wurde. Stattdessen gibt es eine Verkehrserhebung, diese soll im Jänner durchgeführt worden sein. An einem Tag? Am Wochenende? Werktags? Von 0-24 Uhr? Man weiß es nicht, daher können wir auch wenig Rückschlüsse daraus ziehen. Wahrscheinlich werde ich mit der Vermutung nicht allzu schlecht liegen, wenn sich dort 12 Studenten über 24 Stunden (sofern die Nachtstunden nicht geschätzt wurden) an 4 Stellen aufgestellt haben und eine Stricherlliste geführt haben.

Kennt ihr das? Jemand erzählt etwas so Verrücktes, dass man sich denkt, das muss stimmen, das kann keiner erfinden. So wirkt mir die Strategie in diesem Fall.

‘Spannende’ Quintessenz aus den beiden Szenarien:

  • Wenn wir 300 neue Wohnungen irgendwo in St. Andrä – Wördern bauen, dann wird der Kreisverkehr bei der Kirche mit 750 zusätzlichen Autofahrten belastet.
  • Wenn wir die 300 neuen Wohnungen im neuen Ortszentrum bauen, dann belasten wir den armen Kreisverkehr um 325 Fahrten weniger, wir reduzieren den Verkehr um fast die Hälfte. Welch magischer Ort mag dieser unterschätzte alte Sportplatz sein, dass der sowas kann?

Provokant gefragt, sollte das wirklich funktionieren: wenn wir statt den 300 (oder auch möglichen 396) Wohnungen 1.000 Wohnungen oder mehr dort errichten, können wir damit den Verkehr so reduzieren, dass wir aus dem Kreisverkehr eine Begegnungszone machen können?

Lärmbelastungen

Auch hier starte ich mit einem Zitat aus dem Masterplan.

Um zu wissen, ob Maßnahmen zur Lärmreduzierung fruchten, bedarf es, am Beispiel der Dr. Karl-Renner-Allee, einen Vergleich zwischen der bestehenden Lärmbelastung, gegenüber der Lärmbelastung nach dem Vollausbau der Siedlung (inklusive Maßnahmen zur Lärmreduzierung). Solche Abschätzungen unterliegen abgesicherten Grundlagen.

Ja, auch ich bekomme beim letzten Satz das Staunen lange nicht mehr aus meinem Gesicht. Zitate und Quellen sind ja nicht so das Ding von den Verfassern des Masterplanes. Bei Sichtachsen haben sie ein Werk aus dem Jahr 1977 als Quelle verwendet, hier wird lapidar “Solche Abschätzungen unterliegen abgesicherten Grundlagen.” geschrieben. Sie werden doch hoffentlich die gesicherten Grundlagen auch herangezogen haben. Warum verweisen sie nicht auf diese Quelle, wenn sie diese schon recherchiert haben. Perry Mason würde das mit “Hörensagen!” niederschmettern. Und recht bekommen.

Um dem Schall Herr zu werden, verbieten wir rund um das neue Ortszentrum das Fahren mit Mopeds (die weichen dann am Weg zum Bahnhof über bestehende Wohngegenden aus – na, die werden sich freuen), absorbieren den Lärm mit Spezialfassaden und (anhalten bitte) tauschen die Verbrennungsmotoren bei den Autos in diesem Bereich aus. Das wahrscheinlich einzig Positive im Masterplan ist das autofreie Innenleben. Doch noch ein Korn gefunden.

Was an den Verkehrsplanern im Masterplan völlig vorbeigeht (oder besser vorbeifährt), wenngleich sie es an anderer Stelle als positiven Effekt erkannt haben:

Kundenverkehr

Wir haben knapp 4.000m² an Flächen für Geschäfte, Kleingewerbe und Gastronomie sowie den statistischen Edeljoker von knapp 13.000m² an Flächen, die für Dienstleistungen (wenn wir sie für die Statistik nicht als Wohnfläche brauchen) oder Wohnungen (wenn wir sie gerade nicht als Gewerbefläche brauchen) herangezogen werden können. Wir haben also etwas grob geschätzte 4.000m² bis 13.000m² an Gewerbe- und gewerbeähnlichen Flächen. Die Nutzer von diesen Flächen brauchen alle Kunden. Wie werden die dort hinkommen?

Als schneller Vergleich: Ein Interspar (das Größte der 3 Häuser von Spar, vgl. Kreisverkehr Klosterneuburg) ist zwischen 2.500m² und 5.000m² groß. Es müssen also laut Masterplan umgelegt bis zu 5 Interspars bespielt werden. Die wenigsten  Kunden und Mitarbeiter dafür werden mit dem Einrad hinkommen.

Freizeitverkehr

Die grüne Mitte, der Teich, Spielplätze und ein Konzertplatz für 750 Menschen sollen alle Bürger einladen, das neue Ortszentrum zu nutzen. Ich bin jedenfalls gespannt, wieviel hadersfelder, hintersdorfer und kirchbacher Triathleten nach den Konzerten mit dem Fahrrad nach Hause fahren werden.

Umweltbelastung

Umweltbelastung Nachtrag

Ja, richtig nicht gelesen. Bei der Umweltbelastung wird auf die Verschwendung von Worten verzichtet. Beim Lärm hat man scheinbar ein paar Zahlen so bringen und für die Sache interpretieren können, dass es noch wirken könnte, als wäre das alles nicht so schlimm. Das gelingt wohl bei den Abgas-Emissionen nicht mehr so wirklich, daher lässt man es sicherheitshalber aus. Wer soll bei nicht vorhandenen Texten auch auf die Idee kommen, nachzufragen.

Hier einfach ein paar interessante Kennwerte (die Werte sind in Gramm/Personenkilometer):

  • Treibhausgase: 140 g/Pkm x 750 Fahrten = 105.000g/Pkm = 105,00kg/Pkm
  • Kohlenmonoxid: 0,61 g/Pkm x 750 Fahrten = 457,50g/Pkm
  • flüchtige Kohlenwasserstoffe: 0,14 g/Pkm x 750 Fahrten = 105,00g/Pkm
  • Stickoxide: 0,35 g/Pkm x 750 Fahrten = 262,50g/Pkm
  • Feinstaub: 0,004 g/Pkm x 750 Fahrten = 3,00g/Pkm

Quelle: Deutsches Umweltbundesamt – für Österreich wurden die Daten nicht in der Kompaktheit gefunden

Ruhender Verkehr

Das Parkplatzthema ist in Bahnhofsnähe immer ein spannendes, vor allem, wenn daneben bis zu 396 Wohnungen gebaut werden sollen. Nicht umsonst wird bereits auf der ersten Seite dieses Abschnittes im Masterplan das Wort ‘Parkraumbewirtschaftung’ zu Papier gebracht. Was sich dahinter verbirgt könnten Anrainerparkplätze und Kurzparkzonen sein, aber auch ein Parkpickerl.

BewohnerInnen des neuen Gebietes, im Besitz eines Autos, müssen sich für dieses allerdings einen Tiefgaragenplatz mieten.

Zugegeben, Rechtsexperte bin ich nicht. Dennoch kann ich mir nur sehr schwer vorstellen, wie man zivilrechtlich erzwingen soll, dass ein Käufer oder Mieter einer Wohnung mit einem Auto einen Stellplatz nehmen muss. Ich hoffe ja doch nicht, dass ein Vermieter eine Fahrzeugauskunft bekommt. Interessante Gespräche bei der Mietvertragserrichtung kommen auf uns zu:

Vermieter: “Brauchen Sie einen Stellplatz?”

Mieter: “Nein.”

Vermieter: “Haben Sie kein Auto?”

Mieter “Warum interessiert Sie das?”

Vermieter: “Weil Sie in diesem Fall zwingend um 90,-/Monat einen Stellplatz nehmen müssen.”

Mieter: “In diesem Fall habe ich kein Auto.”

Mich würde ja in weiterer Folge die Statistik interessieren, wie das bei Lebensgemeinschaften aufgeteilt sein wird: ist da eher er der Fahrzeuginhaber und sie die Mieterin der Wohnung oder umgekehrt?

Es soll aber auch Menschen geben, die Tiefgaragen aus Prinzip meiden. Schwere Zufahrt, unter der Erde, dunkel, menschenleer. Das verursacht bei manchen Menschen Unbehagen. Müssen die dann jedenfalls einen Stellplatz nehmen, auch wenn dieser dann nie genutzt wird, oder darf man sich dann erst gar keine Wohnung mieten?

Wir haben am Sonntag die Chance, den Masterplan zu bewerten. Zollen wir ihm den ‘verdienten’ Respekt und sagen NEIN!

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Ortszentrum – wie beim Masterplan über die Verbauung des Fussballplatzes gleich mehrere Elfmeter vergeben wurden

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  1. Ich

    Ich versteh nicht ganz, warum 100 Wohnungen in der Nähe des Bahnhofs 300 mehr Autos täglich beim Kreisverkehr bewirken werden??? Also, ich wohne in der Gegend des Bahnhofs und fahre etwa 2 – 3x IN DER WOCHE (!!!) zum Kreisverkehr!

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