Über die Fehler des Masterplanes wurde hier bereits umfangreich berichtet. Zum einen läßt die Ausführung des Masterplanes sehr zu wünschen übrig, zum anderen ist das Werk trotz einer Wucht an Seiten ziemlich inhaltsleer und schwankt irgendwo zwischen “schau ma mal” und “könnt ma nicht”.
Masterpläne haben einen entscheidenden Vorteil: sie sind nicht definiert. Masterpläne können irgendwie alles sein. Dennoch, oder gerade deswegen, könnte man im Vorfeld der Erstellung eines Masterplanes über den Tellerrand hinwegblicken und nachsehen, wie das denn woanders gelöst wurde. Beispielsweise beschreibt ein sehr gut strukturierter Masterplan die Gestaltung der St. Pöltner Innenstadt: Masterplan St. Pölten
Im Vorfeld zur Volksabstimmung hört man immer wieder, eigentlich weiß ich gar nicht, worum es geht. Das ist insoweit sehr stimmig, da, liest man sich die Wortmeldungen der betreibenden Kräfte durch, auch auf dieser Seiten mit viel Unwissen geglänzt wird. So möchte beispielsweise die Vizebürgermeisterin eine “Verhüttelung” der Gemeinde mit einer Verstädterung bekämpfen.
Es wurde so getan, als würde man mit einer Bürgerbeteiligung die Wünsche der Bevölkerung ermitteln und einarbeiten wollen. Von dem war man meiner Ansicht nach sehr weit entfernt. Wir stehen jetzt vor einem Masterplan, dessen Text wohl mehr Fragezeichen in die Gesichter der Interessierten zaubern wird, als davor überhaupt da waren.
Was hätte man aus einem partizipativen Prozess entwickeln können? Hier ein Versuch, die vergebenen Chancen zu definieren. Ein Versuch deswegen, da auch meine Darstellungen natürlich subjektiver Natur sind. Man kann es jedoch objektivieren, indem man die Hard-Facts (Überschriften im folgenden Text) durch ein intensives Bürgerbeteiligungsverfahren in Soft-Facts (hier noch als meine persönliche Meinung festgehalten) umwandelt. Natürlich ist das ein beschwerliches Verfahren, jedoch sprechen wir von einem Eingriff, mit dem noch viele Generationen leben werden (müssen).
Aufgabenstellung
Der Masterplan beginnt meiner Ansicht nach chronologisch viel zu spät. Was ist denn überhaupt die Ausgangslage? Wir haben einen Fussballplatz mitten im Ortsgebiet mit guter Anbindung an den Bahnhof. Diese Anbindung ist jetzt freilich für einen Sportplatz nicht das größte Goodie, die wenigsten Nutzer werden mit dem Zug anreisen, wenn der SV Wördern daheim gegen Gaubitsch antritt. Zusätzlich fehlt ein Flutlicht, das man nachträglich im Wohngebiet nicht mehr nachrüsten wird. Auch der Platz ist jährlich nur noch mit hohen Mitteln temporär sanierbar. Wir haben also eine große innerörtliche Fläche, die suboptimal genutzt wird. Diese Situation gilt es zu verbessern. Wenn wir das ändern wollen, müssen wir uns die richtigen Fragen stellen:
Was braucht die Gemeinde?
Was passiert mit den bisherigen Nutzern der Sportfläche?
Welche Ziele verfolgen wir als Gemeinschaft?
Ziele
Ein essentieller Bestandteil eines Masterplanes sollten die Ziele sein. Im vorliegenden Masterplan wird lediglich einmal ein Ziel angedeutet, nämlich im Vorwort der Vizebürgermeisterin. Mit dem Masterplan – und wir sprechen bei dieser Verstädterung von einer enormen Nachverdichtung – soll dem unkontrollierten Wachstum Einhalt geboten werden. Das ist, wie bereits mehrmals erwähnt, eine grobe Themenverfehlung.
Was könnten Ziele sein:
- Ein modernes Sportzentrum am Ortsrand
- Erholungsflächen in zentraler Lage
- Auffüllen der Gemeindekassen
- Erweiterung der Infrastruktur, einen Mehrwert für alle schaffen
- Platz für fehlende Angebote in der Gemeinde schaffen
- Schaffung von Attraktionen, um Nicht-Gemeindebürger anzulocken
- Wachstum, um im Land eine kräftige Stimme zu haben
- …
Das können zwar, aber dürfen keine politischen Ziele sein. Das muss aus der Mitte der Bevölkerung kommen.
Und das Wichtigste: Ziele sind wie Brainstorming, da ist alles erlaubt. Manche Ziele wird man in weiterer Folge mehr oder weniger rasch aussortieren können. Das erfolgt aber erst in den nächsten Schritten. Mit einer “Ja, aber …”-Mentalität wurde noch nie das volle Potential ausgeschöpft. Die Ziele sind nach den Wünschen der Beteiligten zu reihen, völlig aussichtlos wirkende Ziele werden in den nächsten Schritten adaptiert oder verworfen. Diese Stärke und Geduld muss man dann auch besitzen.
Massnahmen
Wenn die Ziele definiert sind, muss – natürlich unter der Leitung von Experten – ein Massnahmenpaket definiert werden. Der Vorteil von Experten ist: sie kennen sich in der Materie sehr gut aus. Der Nachteil ist zumeist: sie wohnen und/oder arbeiten nicht in der Gemeinde und haben dadurch nur einen technischen oder akademischen Blick auf die Bedürfnisse einer Gemeinde und ihren Bewohnern. Der aktuelle Masterplan deutet solche Massnahmen an, ich wage aber zu bezweifeln, dass diese Massnahmen unter Einbeziehung der obigen Ausführungen nur annähernd in dieser Form erfolgt wären.
Denken wir ein fiktives Beispiel durch.
Das Ziel ist, ein modernes Sportzentrum am Ortsrand zu haben und die meisten Vereine der Gemeinde (auch nicht sportliche) der Gemeinde dort zu versammeln. Im Zentrum wollen wir aber eine unverbaute Grünoase.
Jetzt könnte man reflexartig behaupten: wie soll sich das wirtschaftlich ausgehen? Vielleicht geht es sich auch nicht aus, aber wir sind es der Gemeinde und den nachfolgenden Generationen schuldig, sich zumindest Gedanken darüber zu machen, damit wir behaupten können, wir haben alles denkmögliche unternommen, das perfekte Ergebnis zu erzielen. Das Schöne an dieser Situation ist, die Verfechter beider Argumentationen fischen noch im Trüben. Vielleicht gibt es ein Denkmodel, das auch faktisch funktioniert? Was könnte passieren, wenn im Sportzentrum neben den Fussballvereinen, dem Inlinehockeyverein auch der Tennisverein, die Sportunion, die Schützen, die Theatergruppe, der Kulturkreis, der Gesangsverein und all die anderen Vereine eine Nutzung finden. Wir erzeugen ein attraktives und durchgehend belebtes Zentrum, das Betreiber und Anbieter (Gastronomie, thematisch passende Shops) anzieht und gedanklich in alle Richtungen erweiterbar ist, zum Beispiel ein Seminarhotel, die in deutlich abgelegeneren Gegenden auch gut funktionieren. Jedenfalls kann dadurch die Möglichkeit geschaffen werden, ein sich selbst tragendes Sportzentrum zu finanzieren, das auch noch abseits von der Wohnbevölkerung kaum störende Emissionen erzeugt.
Das Risiko ist de facto nicht gegeben. Es bedarf an Einsatz, an Gesprächen, an Networking und natürlich auch an Lobbyarbeit. Es gilt, interessierte Betreiber und Investoren zu finden. Mit den Finanzmitteln, die wir für den Masterplan benötigt haben, ist man aber sicher mit dabei, genau diese Personen und Unternehmen zu finden, so sie natürlich da sind. Und sie sind da.
Warum ich das behaupte, dass wir diese Investoren finden werden? Weil sich die Zeiten geändert haben. Es gibt viel Geld im Umlauf und nur noch sehr wenige Märkte, in denen es gut angelegt werden kann. Natürlich ist das Sportzentrum St. Andrä -Wördern eine riskante Investition, aber es deckt einen Bedarf (wird demnach benötigt), ist eine Immobilie und in einem sicheren Markt installiert.
Hier ein branchenfremdes Beispiel:
Bevor jemand denkt, jetzt dreht er total durch, eine kurze Erklärung dazu: ein Unternehmen hat die Idee geboren, wie man das unbeliebte Zähneputzen optimieren kann und ein Verfahren entwickelt, das in 10 Sekunden zu erledigen. Um aus dem Prototypen ein Massenprodukt zu machen, wurden 50.000,- Euro benötigt. Auf einer Crowdfunding-Plattform wurde dieses Ziel eingestellt. Das Ergebnis, um rasch auf den Punkt zu kommen: knapp 27.000 Menschen haben investiert und knapp 3.200.000,- Euro investiert. Für eine Zahnbürste! Das sind wahrscheinlich mehr als 60% , die wir für unser Sportzentrum benötigen. Und neben solchen Crowdfunding-Plattformen gibt es auch noch Crowdinvesting-Seiten, die auf Immobilien spezialisiert sind und Risikokapital abdecken, zum Beispiel diese hier.
Alles kein Garantieschein, aber einen Versuch MUSS es wert sein. Wir schaffen für die Vereine einen unglaublichen Mehrwert, eine perfekte Infrastruktur, wir schaffen Angebot für Menschen außerhalb der Gemeinde, die Geld bei uns lassen und vor allem entlasten wird die hier lebende Bevölkerung. Nicht nur die direkten Anrainer, auch jene im Einzugsgebiet und statt Abgasen und Feinstaub schaffen wir auch noch eine grüne Lunge.
Ganz ehrlich: ich lasse mich lieber als ‘naiv’ statt ‘feig’ bezeichnen. Vor allem, wenn es nicht nur um mich geht.
Zahlen und Fakten
Wir wollen mit dem Verbauen des alten Sportplatzes den neuen finanzieren. Das könnte natürlich die Adaption des obigen Beispiels sein. Aus dem Masterplan geht aber nicht hervor, was die Grundlage für die geplante Verbauung ist. Was kann aus dem Verkauf der im Eigentum befindlichen Grundstücke lukriert werden? Ist ein PPP angedacht, um die Einnahmen für die Gemeinde zu optimieren? Was kostet das neue Sportzentrum? Erwirtschaften wir einen Überschuss und falls Ja, warum wird die Bebauungsdichte damit nicht reduziert?
Bauträger analysieren Grundstücke mit der in der Branche berühmten ‘Bierdeckelrechnung’. Das nennt sich so, da man die grundsätzliche Investitionsfreude in eine Immobilie beim Wirten auf einem Bierdeckel durchrechnet. Viel anders läuft es auch in diesem Fall nicht:
Es wird eine Bruttogeschossfläche von ca. 40.000m² errichtet. Bei einer Ausnutzbarkeit des Grundrisses (Grundrissflächen von Wänden, Stiegen, allgemeinen Räumen etc. werden von der Bruttogrundrissfläche abgezogen) von 75% erreichen wir eine Nutzfläche von 30.000m². Ein Drittel davon soll für leistbares Wohnen, betreutes Wohnen, Kultur etc. genutzt werden, sprich gefördert sein. Die Errichtungskosten werden für diese Flächen 1:1 ohne Gewinn- bzw. Marktaufschläge umgelegt. Es verbleiben also 20.000m² Nutzflächen, die errichtet und mit Gewinn verkauft werden sollten. Der Verkaufspreis wird bei ca. 3.000,- bis 3.500,-/m² liegen (im Schnitt also 3.250,-), der Errichtungspreis bei 2.500,-/m²*, wenn die Allgemeinflächen wie Wege, Spielplätze etc. auch umgelegt werden. Die Differenz – also Gewinnabschöpfung – beträgt 3.250,- minus 2.500,- = 750,-/m² x 20.000m² = 15.000.000,-.
*dieser Preis wird wohl niedriger sein, aber rechnen wir mit Sicherheiten.
Solche oder ähnliche Zahlen dürften wir uns von einem Masterplan schon erwarten, immerhin geht es um UNSERE Gemeinde!
Visionen
Im Masterplan vermisse ich Visionen. Die einzige ‘Vision’ ist, dass Wohnungen mit einer strukturierten Verkabelung ausgestattet werden, um im Bedarfsfall in ein Büro umgewandelt werden zu können. Herzlich Willkommen im 21. Jahrhundert!
Wo ist das digitale Smart-Home? Nicht, dass man das bereits im Masterplan berücksichtigen müsste, aber die verstaubten Planungsgrundsätze (einmal wird sogar auf eine Quelle aus 1977 verwiesen) spiegeln sich am Inhalt des Masterplanes wider. Braucht man tatsächlich einen großen Nahversorger? Wir haben doch schon genug. Selbst für 1.000 Einwohner mehr.
Was ist mit modernen Wohnkonzepten? Eine zentrale Großküche, die die Bewohner einlädt im sozialen Kontakt gemeinsam zu kochen und einen gemeinschaftlichen Einkauf zu organisieren. Geliefert wird, was gebraucht wird. Das senkt die Wohnkosten, die Preise für den Wohnraum, reduziert den Verkehr und die Lärmbelästigung und erhöht den sozialen Zusammenhalt. Konzepte dieser Art gibt es viele. Es kann natürlich sein, dass dieses Beispielkonzept hier nicht passend ist, aber wir müssen unseren Gedankenhorizont erweitern. Ist die Fläche erst einmal verbaut, ist sie verbaut. So einfach geht Physik.
Achja, eine Vision gibts noch im Masterplan: die Bewohner sollen bei ihren Autos die Verbrennungsmotoren ausbauen. Ich finde, das können wir als Schlussworte so stehen lassen.
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